Regentropfen laufen im Fahrtwind von der kalten Scheibe, die meine Stirn berührt, aus meinen Kopfhörern dröhnen harte Elektrobeats – in der verzweifelten Hoffnung irgendwie wach zu werden. Mal überlegen, was steht denn heute auf der Arbeit an? Hmm… eigentlich das Gleiche wie immer. Es wiederholt sich ja eh alles Tag für Tag – wie in einer endlosen Dauerschleife – die Platte hängt und hängt und hängt und hmm… Ach was soll das, darüber solltest du lieber gar nicht nachdenken, das frustriert nur, dir passiert schon nochmal was Tolles … also frisch auf in den neuen Tag, gleich holst du dir erstmal ’nen Kaffee und ’n Franzbrötchen und blätterst die Mopo durch, dann geht das schon. Hast ja auch noch die Fahrt zum Ausruhen bevor’s losgeht. Erst mal checken wer hier so in der Bahn ist … eine fette Mutti mit speckigen Haaren und ihren sieben Kindern … die typischen schmierigen Anzugträger, die die ganze Zeit mit ihren Blackberrys rumtippen … so eine komische Alte, die jeden Tag in der Bahn ist; weit über vierzig, schwarzer Trainingsanzug, pink-schwarze Haare und einen Federindianerschmuck, der ihr auf die Schulter baumelt … ein paar halbstarke Jugendliche, die sich gegenseitig versuchen in die Creme oder den Rasierschaum – oder was auch immer zur Hölle das da an der Tür ist (sieht so vielleicht pures EHEC aus?) – zu drücken … ein schmieriger, geleckter Typ, der den halben Eingang blockiert mit seinem komischen Rad – genauer gesagt dem femininsten Renn-Designer-Fahrrad (pastelltürkiser Rahmen, Lenker und Felgen weiß, Mäntel rosa), das ich je gesehen hab … und mir zugewandt – da geradezu – sitzt ein echt süßes Mädchen – mit Kopfhörern auf! Die Müdigkeit steht ihr ins Gesicht geschrieben. Als ich gähnen muss, fängt sie auch an zu gähnen – wir gucken uns kurz an und müssen ein wenig lachen. Verdammt, das ist doch eigentlich die Chance sie anzusprechen! Aber was soll ich sagen? Hey, du siehst so fertig aus, wie ich mich fühle? Wohl keine so gute Idee. Auch mit der Bahn unterwegs? Haha, Schenkelklopfer … hmm … Vielleicht: Was hörst du denn so um wach zu werden, bei mir hilft nur das hier? Ja, das ist gut … aber wenn sie dann loskeift: „Das, was ich jetzt hören muss um wach zu werden, also lass mich in Ruhe Typ!“? Ich bin in diesem Zustand schließlich auch – trotz meines sonst friedlichen Naturels – eher kratzbürstig. Hmm… aber genau das könnte ich ihr dann doch antworten: Ja, ich bin auch ein Morgenmuffel, aber ich stelle keine Bedrohung für meine Mitfahrer da! Wenn sie cool ist, lacht sie, wenn nicht, ist sie’s eh nicht wert. Ja, das ist gut, so habe ich für den Notfall einen Joker! Also komm jetzt, mach’s! Was hast du denn zu verlieren? Im schlimmsten Fall lacht dieser Haufen jämmerlicher Gestalten in der Bahn dich aus, also das kann einem ’nu wirklich scheißegal sein. Ja, ja, ich mach’s! … Gleich! … Ich warte nur noch den richtigen Moment ab – sie guckt gerade aus dem Fenster, weil wir aus dem Tunnel gefahren sind. Die Bahn hält an, das tussige Rad lässt sich von seinem Besitzer raustragen, die Manager und die Kiddies steigen auch aus – ich geh gleich rüber, jjjjääääääääääääääääääääääääätttzzzt… sie steht auf, lächelt mich an und steigt aus! … Verdammt, nicht schon wieder! Das schaffe ich doch wirklich jedesmal – ich zerbreche mir so lange den Kopf darüber, wie ich sie ansprechen soll, bis ich sie nicht mehr ansprechen kann – weil sie weg ist. Dabei wolltest du doch Frauen kennenlernen – sonst kann man ja auch niemals die Eine finden, die hoffentlich irgendwo da draußen ist. Naja, nächstes Mal mach ich’s einfach, bei der nächsten Gelegenheit spreche ich eine an, ohne ewig drüber nachzudenken, ja… Naja, zumindest bin ich jetzt halbwegs wach, also erstmal zur Arbeit. Vielleicht ist sie ja auf der Rückfahrt auch in der Bahn … Hmm… eher unwahrscheinlich. Aber vielleicht ein anderes süßes Girl, das mich anlächelt… und dann, ja dann…
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